Ein halbes Jahr in Ägypten
Heute vor genau einem halben Jahr stand ich in Zürich am Flughafen mit einem One-Way Ticket nach Ägypten. Ich habe mich dazu entschieden, alle Zelte in der Schweiz abzubrechen und in ein fremdes Land auszuwandern. Job gekündigt, Wohnung gekündigt, Möbel verkauft und meine Herzensmenschen verabschiedet. Bis jetzt gab es aber keine Sekunde, wo ich diesen Schritt bereut habe. Klar, läuft hier auch nicht alles Rund, aber wo tut es das schon? Für mich stellt sich immer die Frage, konzentriere ich mich auf das, was gut läuft, oder konzentriere ich mich auf das, was nicht gut läuft? Setze ich meinen Fokus darauf, dass ich hier kein Leitungswasser trinken kann, es keine sauberen öffentlichen Toiletten gibt oder dass es einige Geschäftsleute gibt, welche die Europäer gnadenlos über den Tisch ziehen? Oder konzentriere ich mich darauf, dass ich hier jeden Tag Sonnenschein habe, jeden Tag den Duft der Meeresbrise einatmen kann, ich täglich die besten Früchte essen kann, täglich hilfsbereiten Menschen begegne und in der Freizeit immer tauchen gehen kann? Egal wo man ist, überall gibt es Schatten und Lichtseiten. Ohne Licht, kein Schatten und ohne Schatten kein Licht. Es liegt aber immer in der eigenen Hand, ob man sich auf das Licht oder den Schatten konzentriert. Ich persönlich feiere jeden Tag, den ich hier in Ägypten erlebe. Ich feiere jeden Moment, wo etwas nicht so läuft, wie gewohnt. Wenn mal eine Gasflasche vor der Haustüre verschwindet, das Internet nicht funktioniert, der Strom wegen der Hitze regelmässig ausfällt, das Arbeitsvisum mehrere Wochen verspätet ankommt, das Auto des Taxifahrers fast auseinanderfällt oder der Staat einfach mal so entscheidet, für mehrere Tage das Meer zu schliessen. Entweder man regt sich darüber auf oder man nimmt es mit Humor. Wenn ich diese Zeilen so schreibe, fällt mir auf, wie normal alles hier für mich wurde, was zu beginn noch sehr neu und fremd war. Ich kann glaube ich nun wirklich sagen, dass ich hier angekommen bin. Ich fühle mich richtig wohl hier und freue mich auf jeden neuen Tag. Ich bin auch sehr dankbar, dieses Privileg zu haben, hierher zu ziehen. Ich habe einen richtig tollen Job, den ich mit meiner Leidenschaft, dem Tauchen verknüpfen kann. Jeden Tag lerne ich wieder etwas Neues über das Tauchen und kann Kurse besuchen und meine eigenen Skills unter Wasser verbessern. Und wenn ich Lust habe, kann ich jeder Zeit nach Hurghada in die Altstadt fahren, um so richtig in die Kultur der Einheimischen einzutauchen. Für mich ist das Leben hier ein wahrer Traum. Klar, es ist nicht immer alles nur einfach. Ich arbeite sechs Tage pro Woche und manchmal auch mehr und die Tage sind auch eher lange. Doch das Positive überwiegt ganz klar. Ich bin einfach nur dankbar, für all die tollen Menschen, die ich hier kennenlernen durfte, für all die tollen und auch lehrreichen Erfahrungen und natürlich auch für jeden einzelnen wunderschönen Tauchgang, den ich bis jetzt haben durfte. Ich tauche in meinem Traum!